eC!

Social top

English

Ein Leben für den Klang [A Lifetime for Sound]

Eine Collage aus Originaldokumenten

Preface

In 2009 I created an audio portrait of electronic instrument designer and builder Harald Bode (*Hamburg, 19 October 1909 † New York, 15 January 1987). I decided to narrate his motivations and struggles through original documents by him and others, after I realized how many interesting documents on the subject of Elektrische Musik, Elektronische Musik and Electronic Music could be found — with many differing points of view and fiercely defended controversial positions.

The written and spoken material quoted in the portrait came from several sources: published articles and documents, interviews, state and institutional archives and the internet, though not necessarily in the highest ranking search results.

Very important resources for the project were archives such as Germany’s Bundesarchiv (German State Archive), the Goethe Schiller Archive, the Archive of the Deutsches Museum in Munich, the Heinrich Hertz Institute Archive, newspaper archives in Hamburg and Berlin, university archives in Hannover, Berlin and Hamburg, several radio archives, and the former Institute of Phonetics in Bonn, where I was given permission to search for and digitize some original tapes of Harald’s in the heritage of Werner Meyer-Eppler, before they were given a new home in the archive of Berlin’s Akademie der Künste.

But undoubtedly the most important source was the Harald Bode Archive in Hornell NY, where Harald Bode’s heritage — consisting of notebooks from more than fifty years, instrument design notes and diagrammes, personal and professional correspondence, newspaper clippings, manuscripts, photographs, private correspondence and tape fragments — is well cared for by Peer Bode (the younger of Harald’s two sons) and Rebekkah Palov.

Complementing this valuable historical perspective, the more contemporary part of my portrait was built around excerpts of recent interviews with Thom Rhea, Georg und Hanne Steinmeyer (colleague and friends of the Bode family), Steina and Woody Vasulka (video artists who interviewed and portrayed Harald in 1979), and Peer Bode.

The creative concept of my presentation — using only original documents and making a collage of them so that they make sense like a dialogue piece — is a form that unfortunately is not widely used. To make sense out of a collection of bits and pieces from various sources is much harder to do in this form than to write out an original narrative based on the same materials (at least for this author). This might be one of the reasons why there are not many pieces in this form. Another might be that you need a broad choice of materials to choose from in order to create a work as manifold as its subject.

But Harald’s heritage is a treasure trove, and it was not easy to make choices from such a precious collection of interesting and expressive materials. The help of knowledgeable and open-minded people made it possible to extract part of this treasure and offer it to the public.

This type of presentation enables the personal expressive styles of the protagonists to come through just as they appear in written and spoken documents and also helps to deliver profound original, first-hand information.

Without the profound support by many committed people this work would not exist, and once again I want to thank them all.

A version of my portrait was produced by Bayerischer Rundfunk München and broadcast in October 2009 around Harald Bode’s 100th birthday. It was re-broadcast country-wide by Deutschland Radio Berlin in May 2010, and could also be heard worldwide on the internet.

For this issue of eContact! I slightly modified the manuscript to work better in a reading format. An appropriate English translation though is yet to come.

Caspar Abocab, 17 July 2011.

1. Kapitel: Leben und Elektrische Musik in Nazizeiten

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 1941:

Es geht hier nicht um mich, es geht mir um die Sache, es geht mir um neue Wege der Musik, es geht mir um die Durchdringung des Mysteriums der Musik mit unserer Erkenntnis.

Eine neue Musik, und zuletzt vielleicht eine neue Kunstform schwebt mir vor.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 28. Dezember 1943:

Was bin ich:

Ich bin Maler
Komponist
Ich bin Dichter und Schriftsteller
Erfinder
Ich bin Grotesker Komiker
Philosoph
Das klingt beinahe recht anmaßend.

Und das ist nun alles unter einen Hut zu bringen!

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, November 1939:

Es darf keiner so weit gehen, dass er unter dem Druck einer herrschenden Strömung, die befohlenermaßen gut geheißen werden muss, sich selbst aufgibt, selbst wenn diese Strömung verspricht, zum Gemeinwohl da zu sein. Denn sonst kann es vorkommen, dass der Einzelne, der sich selbst aufgab, auch von den anderen verlassen ist. Zuletzt ist sich doch jeder selbst der Nächste.

Peer Bode:

Mein Vater Harald Bode war ein Erfinder elektronischer Musikinstrumente. Etwa um sieben Uhr morgens gehe ich runter. Und Papi sitzt in seinem Sessel, in Anzug und Krawatte, Er sitzt da und schreibt. In seine Notizbücher. Irgendetwas.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, Dezember 1945:

Um die Jahre 1935/1936 versuchte ich erstmals aus der Partei auszutreten, indem ich 12 Monate keine Beiträge zahlte. Nachher wagte ich den gleichen Versuch nicht zu unternehmen, bis ich 1943 nach Bayern übersiedelte. Wenn ich außerdem gewusst hätte, dass Nationalsozialismus Militarismus bedeutet, hätte ich ihn bekämpft, da in meiner ganzen Familie kein Militarist ist. Ich war nicht imstande, den Nationalsozialismus zu verstehen, da ich objektive Wissenschaften studiert habe, und keine autoritären…

Thom Rhea:

Ich habe Harald in den frühen Siebzigern zum ersten Mal getroffen.

Es liegt auf der Hand, das Harald brilliant war, höchst intelligent. Aber abgesehen davon hatte er auch diese Verspieltheit in den Augen, dieses Brennen. Es war so durchdringend und so intensiv, weil — er war ein entspannter Mann, aber wenn es um technische Aspekte ging, war er zu einer unglaublichen Konzentration fähig.

Zitat aus »Hamburger Anzeiger«, August 1937:

Blick in die Werkstatt des Elektroakustikers:

»Ich löte gerade eine neue Klangfarbe zusammen«, sagt der junge Physiker Harald Bode, indem er mit seinem kleinen Lötkolben an den Eingeweiden eines kleinen Radiogerätes hantiert. Ein Blick über den Werktisch: eine Klaviatur, Batterien, Verstärkergeräte mit Reihen von aluminiumumhüllten Kondensatoren, Lautsprecher.

Seine Hand berührt eine Tastenreihe, im Lautsprecher ertönt eine Melodie, ein wenig hart, ehern klingend. Eine Änderung der Schaltung — der Klang wird weicher, wärmer. Und jetzt: rauschender. Der Akustiker legt das Prinzip dar: »Jeder Ton, einerlei von welcher Tonquelle, besteht nicht nur aus der Grundschwingung, die wir zu hören glauben. In ihr sind Oberschwingungen vorhanden, die sich verschieden stark bemerkbar machen.«

Nach dieser Erklärung merkt man erst eigentlich, in welchen akustischen Zaubergarten man hier geraten ist. Der Musiker hört, wertet, vergleicht, aber — er ist hilflos. Es sind sonderbare Zwischenstufen. Es ist: Neuland.

Aus Hamburger Zeitungen, November 1937:

Im Brennpunkt des Interesses stand die Warbo Formant Orgel, so benannt nach ihrem jugendlichen Erfinder Harald Bode und seinem Gönner Warnke.

Die Vortrefflichkeit der Apparatur erlaubt das mühelose Hervorbringen von Streicher-, Bläser- und Orgelklängen und den mühelosen Wechsel zwischen ihnen. Aber — und hier hat der Musiker das Problem zu sehen — das Instrument lässt aus dem Lautsprecher Töne erklingen, die wir schon kennen. Es erhob sich die Frage nach der Zukunftsträchtigkeit dieser Erfindung.

Zeitschrift »Hier Berlin und alle Deutschen Sender«, November 1940, vom Autor Eduard Rhein:

Im deutschen Film ist ein neues eigenartiges Instrument aufgetaucht, das nicht Töne erzeugt, sondern bestimmte elektrische Schwingungen, die einer Lautsprecherröhre zugeliefert werden und von dort nur an einem Lautsprecher weitergeleitet zu werden brauchen, um lebendiger Schall zu werden: das Melodium. Im Bal Paré, im Jud Süss, und im neuen Zarah-Leander-Film Das Herz der Königin wurde es erstmals verwendet.

Zeitschrift Filmkurier 1940:

Melodium! Mackeben hat sich immer für die Verwendung der Elektroinstrumente eingesetzt. Er durfte es tun, weil diese Instrumente in der Hand von Könnern, aber nur bei diesen, eine wertvolle Bereicherung des Klangschatzes darstellen.

Peer Bode:

Pappi, wenn Du nochmal die 62 Jahre durchleben könntest, würdest Du etwas anders machen, oder würdest Du alles genauso machen?

Harald Bode:

Zum einen hätte ich die beiden Kriege gestrichen. Weil Sie eine Art von Unterbrechung meines Lebens waren. Wirklich. Ich hätte manches anders gemacht, wenn da nicht — speziell der Zweite Weltkrieg — gewesen wäre.

Aus einem Lebenslauf:

Berufliche Erfahrungen:

Harald Bode:

Natürlich war da eine Planung für die Zeit nach dem Krieg, nach dem Sieg. Klingt lächerlich, heutzutage, aber ich arbeitete an Projekten, die erst nach dem Krieg, nach dem Sieg verwirklicht werden würden.

Aus einem Lebenslauf:

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 7. November 1939:

Immer nur ein Sklave sein und schinden und immer älter und verbrauchter werden und dem Lebensziel nicht näher zu rücken. Soll so die Zeit meiner Goldenen Ernte aussehen?

Harald Bode:

Ich hatte das als Nebenberuf, bis ich Berlin verließ. Berlin war das kulturelle Zentrum, das Zentrum der Filmindustrie. Und ich hatte mein eigenes Instrument, das ich kurz vor dem Krieg gebaut hatte, das Melodium.

Das Melodium wurde in die Hochschule für Musik gebracht.

Johann Wolfgang Schottländer, Vorlesung Staatliche Musikhochschule Berlin, 1940–41:

Was ist Elektromusik?

Zunächst: was sie nicht ist und sein soll. Weder ein Orchestrion noch elektrisches Klavier, das für einen Groschen drei Minuten mechanisierte Musik herunterrasselt noch die vom Variete bekannte Ätherwellenmusik, jene berüchtigte singende Säge auf elektrisch.

Es gibt zwei Arten von Elektromusik, die ernst zu nehmen sind.

Erste Art: ein richtig normales Musikinstrument mit richtigen Saiten, wird auf die übliche althergebrachte Weise gespielt. Der Klang erreicht unser Ohr jedoch nicht direkt, sondern wird von aufgeschraubten »Mikrofönchen« abgetastet und über einen Verstärker an einen oder mehrere Lautsprecher übertragen.

Zweite Art: die Klänge werden durch elektrische Röhren, vergleichbar den Röhren in Rundfunkgeräten, hergestellt. Nach diesem Prinzip arbeiten zwei Instrumente: das Trautonium von Professor Doktor Ingenieur Trautwein, und das Melodium, eine Neukonstruktion von Ingenieur Harald Bode und doctor habilitatis Oskar Vierling unter Mitarbeit von Fekko Freiherr von Ompteda, zugleich erster Spieler des Instruments.

Fekko von Ompteda:

Mein neues Musikinstrument erregt Aufsehen. Komponisten wie Theo Mackeben, Mark Lothar, Wolfgang Zeller und Künstler wie Barnabas von Gezsy, Willy Norman, Georg Haentzschel besichtigen es.

Johann Wolfgang Schottländer, Vorlesung, 1940–41:

Einsatzmöglichkeiten der Elektromusik:

In erster Linie in der politischen Großkundgebung und im Tonfilm.

Weiterhin wären zu nennen: der Rundfunk und die Schallplatte. Hier würde die Anwendung der Elektromusik alle Schwierigkeiten des Raumes mit einem Schlage beseitigen. Ist dieses Ziel einmal erreicht, dann wird die Elektromusik die ihr artgemäße künstlerische Ausdrucksform gewonnen haben.

Harald Bode in Zeitschrift »Funktechnische Monatshefte«, Juli 1940:

Das zuverlässig und leicht zu spielende Instrument Melodium erlaubt es, ohne langes Studium einer schwierigen Spieltechnik, mit interessanten und neuen Klangfarben zu musizieren und tiefer in die Erkenntnis der Natur der Klänge einzudringen.

Doktor Schottländer zeigte das Instrument einer ganzen Reihe von Komponisten.

Irmgard Bode:

… unter anderem Fekko von Ompteda.

Harald Bode:

Ach ja!! Theo Mackeben.

Aus der Zeitschrift Filmkurier 1940:

Mackeben hat das Melodium bei der Musik zu Herz der Königin benutzt. Er wollte schottische Musik möglichst echt bringen, musste sie aber für unser Ohr schmackhaft machen.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 22. Juni 1940:

Zusammenkunft mit [Wolfgang] Zeller. Ich habe ihm die Möglichkeiten des Melodiums gezeigt, und es wird für den nächsten Tonfilm in der Tobis Johannisthal verwendet, zu dem Zeller die Musik schreibt.

Zeitschrift »Filmkurier«, 1940:

Jetzt hat Wolfgang Zeller, nachdem er den Feldzug in Polen mitgemacht hat, die Musik zu dem neuen Veit Harlan Film Jud Süss abgeschlossen. Für die Charakterisierung des Judentums hat Zeller manche entscheidende musikalische Vorbereitung in Zusammenarbeit mit Veit Harlan getroffen.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 19. Dezember 1940:

Man kann nicht aufbauen ohne zu zerstören. Auch die Zerstörungslust muss zu ihrem Recht kommen. Sie muss nur auf die rechten Objekte angewandt werden — die morsche Welt des Verfalls, die ohnehin den Todesstoss verdient hat.

Harald Bode:

Ich hatte definitiv den philosophischen Gedanken, was der größte Erfolg wäre, den ein Mensch erreichen kann. Ich kam zu dem Schluss, dass die höchste Leistung Kreativität in jeder Form wäre. Das ist die höchste Stufe von Größe, wenn Du so sagen willst, auf die ein Mensch gelangen kann. Jetzt kannst Du natürlich darüber streiten, ob andere Dinge genauso hochstehen, wie zum Beispiel Humanität.

Peer Bode:

Aber ist es nicht das, was Humanität ausmacht?

Harald Bode:

Ja… Ja…

Aus einem Lebenslauf Fekko von Omptedas:

Weitere Filme mit Melodium: unter anderem Immensee (Musik: Wolfgang Zeller), Goldene Stadt und Opfergang (Musik: Hans Otto Borgmann), Friedemann Bach (Musik: Mark Lothar).

Briefe an Irmgard Bode 1943:

Wie sehr man doch aneinander hängt. Die Luft wird richtig warm und füllt sich mit berauschendem Duft, und es ist etwas, das die Sehnsucht noch steigert.

Ich bin mir bewusst, dass ich etwas geleistet habe. Ich bin bekannt geworden. Meine Arbeit wird anerkannt. Ein klarer und entschiedener Aufstieg ist zu bemerken.

Brief der Firma Loewe Opta 1943:

An das Wehrmeldeamt Berlin-Steglitz
Betrifft: Verlagerung des Laboringenieurs Bode.

Das obengenannte Gefolgschaftsmitglied wird in einer Verlagerungsangelegenheit in unser Werk Thansau abgestellt. Der Genannte bleibt bei dem dortigen Wehrüberwachungsamt in Wehrüberwachung.

Gez. Mobilisierungs Abteilung Opta Radio AG.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, Januar 1945:

Ich sitze jetzt in dem kleinsten Heim, das ich je mein eigen nannten — in Neubeuern — und wir sind glücklich. Über die Sicherheit, über die freundliche Umgebung, was die Menschen und die Landschaft anbetrifft. Auf jeden Fall ist es wichtig, dass ich trotz aller starker Inanspruchnahme zu mir selbst finde. Ich hoffe, der alte Schaffensdrang wird in mir erwachen..

Harald Bode:

Am Tag als der Krieg vorbei war, kündigte ich bei der Industrie. Ich hatte nichts mehr mit der Industrie am Hut, weil ich mit Geld bezahlt wurde, das nichts wert war, nur noch Papier.

2. Kapitel: Aufatmen und Loslegen, Anfangseuphorie und Restauration

In einem Brief vom 13. November 1945:

Gleich nach Kriegsende bin ich aus der Firma ausgetreten, um mich selbständig zu machen und meinen Ideen nachzugehen. Nur so kann man das erreichen, was einem vorschwebt, ohne dass einer dreinredet.

Aus eine unbekannte Tageszeitung 1949, Rubrik »Weg der Wissenschaft«:

Als eigentlicher Vorläufer des Melochords ist das 1938/39 entstandene Melodium anzusehen, auf dem Bode bis Anfang letzten Jahres selber spielte.

»Ich war mit der Leistung noch nicht zufrieden«, berichtet Bode. »Ich wollte ein Instrument konstruieren, das wesentlich mehr Klangfarben beinhaltet und mehrstimmig sein würde.

Und da entwarf ich das Melochord.«

Peer Bode:

Er nahm das Geld der Familie und kaufte Radioröhren. Meine Mutter erzählte mir, dass sie dachte, dass er vielleicht geisteskrank ist. Alles was sie hatten waren Radioröhren. Es waren die Radioröhren, die ihnen halfen, in der Kriegszeit zu leben.

Harald Bode:

Durch die Radioreparaturen, die das beste Mittel waren, die Familie zu ernähren, trieb ich schließlich auch das Geld auf, um mein erstes Nachkriegsinstrument zu bauen, das Melochord. Das erste Melochord habe ich aus eigener Initiative gebaut. In einer Werkstatt in Neubeuern [Ralf Bode: »Unten in den Alpen«], in dem wir lebten. Ich hatte einen schönen Blick auf die Alpen, eine großartige Werkstatt.

Im Februar 1948 hatte ich meine erste Sendung bei Radio München, der noch einige weitere inzwischen gefolgt sind. Das Melochord wurde als Soloinstrument mit Klavierbegleitung, und mit Orchester eingesetzt.

Vor allem aber wird es aber auch bei Hörspielen eingesetzt.

Elena Ungeheuer in »Wie die Elektronische Musik erfunden wurde«:

Von diesem Instrument erbat sich Professor Werner Meyer-Eppler vom Institut für Phonetik und Kommunikationsforschung in Bonn, über die allgemeine Prospektinformation hinaus sowohl Abbildungen als auch Tonbänder.

Harald Bode in der Zeitschrift »Funkschau«, 1948:

Da wir, abgesehen von den elektrischen Orgeln, eine ganze Reihe elektrischer Musikinstrumente kennen, liegt die Frage nahe, welche besonderen Merkmale das Melochord hat. Zunächst einmal sind es erweiterte Möglichkeiten, die sich aus der Zweistimmigkeit ergeben. Eine weitere Überlegenheit ergibt sich durch Vorteile, die einem Instrument mit Klaviertasten vorbehalten bleiben.

Radiosendung Bayerischer Rundfunk (München), 1949:

Irmgard Bode: »Die Klänge die Sie soeben hörten, stammen nicht von einem der herkömmlichen Instrumente. Sie wurden vielmehr auf rein elektrischem Wege erzeugt, und zwar vom Bode-Melochord.

Eine gewöhnliche Radioröhre kann Schwingungen erzeugen, die durch Verwendung eines Verstärkers und Lautsprechers zu Tönen und Klang werden. Die hier demonstrierten Mittel zur Klangbildung ergeben eine Fülle von Variationsmöglichkeiten, aus denen wir Ihnen hier einen kleinen Ausschnitt zeigen wollen.«

[Musikbeispiele]

»Als Abschluss bringen wir Ihnen zwei Musikstücke, und zwar einmal Melochord mit Klavierbegleitung, und darauf eine Improvisation auf zwei Melochorden.

Sie hörten Klangdemonstrationen an dem elektrischen Instrument Melochord.

Es spielten Harald Bode und Fekko von Ompteda.«

Harald Bode: »Hiermit beende ich meine heutigen Demonstrationen am Melochord und verbleibe mit den besten Grüssen, Ihr sehr ergebener Harald Bode.«

Brief von Werner Meyer-Eppler an Harald Bode:

Sehr geehrter Herr Bode,

an Ihrem Melochord sind wir sehr interessiert. Ich wäre daher sehr dankbar, wenn Sie einen Kostenvoranschlag für unser Institut aufstellten, den wir den zuständigen Herren mit Vorführung des Bandes als Erläuterung vorlegen könnten.

Radiosendung »Klangwelt der Elektronischen Musik«, Westdeutscher Rundfunk (Köln), 21 Oktober 1951:

Herbert Eimert: »Erschrecken Sie bitte nicht. Diese paar Takte sollen nur das Signal geben für unser Nachtprogramm, ›Die Klangwelt der Elektronischen Musik‹. Wir werden von solchen Klängen gewissermaßen überfallen und stehen ihnen ein bisschen hilflos gegenüber, weil wir plötzlich einen Blick in das chaotische Reich ungeahnter unbekannter Klangmöglichkeiten tun.«

Bayerischer Rundfunk, November 1951:

Hans-Jörg Schmitthenner: »Elektrische Klanggeneratoren gibt es seit über 40 Jahren.

Bekannt ist in Deutschland insbesondere das Trautonium und das Bode’sche Melochord.«

»Klangwelt der Elektronischen Musik«, 21. Oktober 1951:

Werner Meyer-Eppler: »Es wäre auch mit einem Trautonium möglich, zu einem nur mit elektronischen Schwingungsmaterial, also sozusagen mit einer elektronischen Palette gestalteten authentischen Klangbild zu kommen. Mir steht leider kein Trautonium zur Verfügung, deshalb habe ich einige erste Klangbeispiele mit einem anderen Instrument, dem Bode’schen Melochord aufgezeichnet.«

Bayerischer Rundfunk, November 1951:

Hans-Jörg Schmitthenner: »Hören Sie ein Beispiel von Dr. Meyer-Eppler, die Darstellung der Eisenbahngeräusche. Seine Klangmodelle sind zwar künstlerisch noch gänzlich ungeformt, aber sie zeigen umso deutlicher die neuen und eigentlichen Möglichkeiten des elektronischen Klangmaterials. Achten Sie bitte hier auch auf den Wechsel der Farbe bei den durchlaufenden Oberstimmen.« [Musik] »Hier hören Sie den Farbwechsel.« [Musik]

Klemens Münster: »Es ist doch wohl unverkennbar, dass in den Erzeugnissen der konkreten Musik, ebenso wie übrigen in denen der abstrakten Malerei Spuren eines überwachen Bewusstseins erkennbar sind. (Um das alles zusammenzufassen:) Hier mischen sich eiskalter Rationalismus mit animalischer Triebhaftigkeit. Das Ergebnis kann nur Hysterie sein, und es ist Hysterie.«

Günter Biallas: »Misstrauen und Abwehr des Künstlers gegen Technik und Maschine sind allzu sehr eingefressen. Beseelte Kunst und maschinelle Wiedergabe müssen einander doch widersprechen. Aber sind wir der Natur hier nicht am nächsten? Niemals sind Klänge unmittelbarer entstanden. Das könnte Sphärenmusik werden, wie sie Busoni erträumte.«

»Klangwelt der Elektronischen Musik«, 21. Oktober 1951:

Robert Beyer: »Wie der Mehrstimmigkeit eine Zeit des alchimistischen Erforschens in den alchemistischen Laboratorien des frühen Mittelalters vorausging, so wird der Verwirklichung der Klangfarbenmusik eine Zeit der Entwicklung in den Laboratorien der modernen Technik vorangehen müssen.«

Aus Zeitschriften »Süddeutsche Sonntagspost« und »Der Spiegel«, 1948/49:

Zauberhaus Neubeuern — Wunder des Erfindergeistes: Gitarren ohne Saiten — Engelsgesang mit einem Finger. Über die Sphärenklänge, die im Spiel dominieren, wurden sich die Zuhörer nicht einig. Es kam ihnen vor, als sei Bode mit den Geistern im Bunde.

»Klangwelt der Elektronischen Musik«, 21 Oktober 1951:

Das sind weitreichende Probleme, die uns aber nicht hindern sollen, das erste und nächste zu tun, nämlich die Musiker und Techniker zusammenzuführen, denn das ist ja die erste Forderung die erfüllt werden muss, wenn wir die Klangwelt der Elektronischen Musik erforschen, erobern und gestalten wollen.

Harald Bode in einem interview mit Woody und Steina Vasulka:

An einem Punkt entschied ich, lieber als mich aufzuspalten in Musik und Technik, die beiden Talente zu verbinden. Das war die Arbeit von 1937.

Versammlungsprotokoll 18. Oktober 1951 um 10.00, WDR Funkhaus:

Die für die Herstellung authentischer Musik und Klangformen notwendigen Hilfsmittel sind in jedem Rundfunkstudio vorhanden. Zusätzliche Kosten entstehen außer durch die Anschaffung des Musikinstruments nicht.

Harald Bode in einem Brief an Irmgard Bode 1951:

Davon, wie das Elektronische Studio in Köln ausfallen wird, hängt viel von der gesamten Zukunftsentwicklung auf diesem Gebiet ab.

Harald Bode:

Ungefähr zwischen 1950 und 1959 begann ich kommerziell zu denken, das heißt, mich nach dem Geschmack und dem Horizont der Öffentlichkeit zu richten. Und die war noch nicht bereit für neue Klänge. Da waren ein paar Avantgardisten, aber die waren in der Minderheit.

Ich fand heraus, dass dies nicht zu einem kommerziellen Erfolg führen wird, also musste ich irgendwann etwas tun, dass von einem breiteren Publikum verstanden wurde. So entwickelte ich eine elektronische Orgel.

Aus Hamburger Zeitungen 1952:

Die Polychordorgel, auch unter dem Namen Polychord III, AWB Orgel und Bode-Orgel bekannt, ist zur Zeit die einzige in Deutschland hergestellte und erhältliche Elektronenorgel. Welch ein weiter Weg: einst, um 1937, experimentierte Bode noch in seinem kleinen Zimmer in Eppendorf — Neue Klänge zu schaffen war sein Ziel. Eines seiner Aggregate konnte sogar »miau« sagen. Die jüngste Form, die Ernst Koster dankenswert erläuterte, ist insoweit ein Fortschritt, als das rein orgelmäßige auf ihr noch besser zur Geltung kommt: »Worin besteht die Klangqualität dieser jüngsten vom hiesigen Generalvertreter und einstigen Initiator Christian Warnke beauftragten Konstruktion?«

Aus der »Zeitschrift für Instrumetenbau«, 1950:

Technisch ist sie recht gut gelungen.

Harald Bode in einem Brief an Irmgard Bode 1951:

Wir sind zwar nicht immer von Menschenmassen umlagert. Trotzdem — gestern — hatte ich Angst, dass das Podium mit den Interessenten zusammenbrechen würde. Überall wird nach mir gefragt.

Hermann Kobold in der Zeitschrift »Musik & Kirche«, 1955:

Lobt Gott mit elektrischen Summern?

Was ist theologisch gegen die Elektronenorgel zu sagen, die wir weniger anspruchsvoll im Folgenden Elektronium nennen wollen? Es ist nicht teuflisch, weil es aus Röhren, Transfomatoren und Kabeln besteht, sondern es ist teuflisch, weil es binnen kurzer Zeit durch den Appell an die menschliche Trägheit und den Übermut die Nivellierung und Maschinisierung der Orgelmusik herbeiführen würde.

Gott kennt nicht die naiv-menschliche Freude am technischen Fortschritt.

Nikolaus Walter in der Zeitschrift »Musik & Kirche«, 1955:

Gotteslob mit Radioröhren

Jede Zeit hat mit ihren Mitteln versucht, Instrumente zu verbessern oder neue hervorzubringen. Die Kirche sollte nicht kleingläubig füchten, Gott könne dieses Fortschrittes nicht Herr bleiben.

Peer Bode:

Pappi machte eine Vorführung seiner Orgel. Und da war eine Gruppe von Pfarrern, weil viele der Pfeifenorgeln zerstört waren. Die Pfarrer wollten ein neues Instrument und konnten vielleicht keine Pfeifenorgeln kaufen. Pappi hatte einen Musiker bei sich der spielte eine Reihe von Kirchenliedern zur Freude der Pfarrer, und dann fing er an Jazz zu spielen, um zu beweisen das man auch anderes darauf spielen kann. Und die Pfarrer gingen sofort raus. Das war die falsche Botschaft an sie. Keine Verkäufe.

Zeitschrift »Melos«, 1955:

Studioleiter Herbert Eimert: »Melochord, Polychordorgel, Trautonium, Ondes Martenot sind interessante Bereicherungen des Instrumentariums. Es läge nahe, die neuartigen Klänge dem bewährten Musikgeschmack vorsichtig einzubauen und sich bei gewissen Übergangsformen zu beruhigen. Das wäre frommer Selbstbetrug. Das alles ist, im definierten Sinne, keine Elektronische Musik.«

Bereicherungen des Instrumentariums:

Katalog der Firma Jörgensen 1955: »Tuttivox: Die vollgriffige, in Akkorden spielbare Konzert- und Kinoorgel im Handkoffer der Firma Joergensen, Düsseldorf, lizensiert durch Rene Seybold und Harald Bode.«

Elektronisches Musizieren — Elektronische Musik: Zwei Begriffe, die nicht das geringste miteinander zu tun haben, genauso wenig wie z.B. Kosmos und Kosmetik. Unter Elektronischer Musik versteht man »Musik aus der Retorte«, der nichts mehr Menschliches anhaftet.

»Elektronisches Musizieren« aber ist ein echtes Musizieren im gewohnten und überlieferten Sinn, durchaus menschlich und persönlich, auf normalen Musikinstrumenten, die sich hinsichtlich der Tonerzeugung der modernen Mittel bedienen.

Harald Bode: »Ich glaube, Musik, musikalische Stile sollten sich aus etwas Existierendem zu etwas Neuem entwickeln.«

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 12. Juli 1953:

Hier in Europa ist nichts los. Amerika ist der Boden für mich. Jede Chance, hinzukommen muss genutzt werden. Wieder einmal Mensch sein dürfen.

3. Kapitel: Nichts wie weg — Gastarbeiter in Amerika

Harald Bode:

Die Bodeorgel wurde in dieses Land gebracht und ich mit.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 14. Mai 1954:

Wir befinden uns an Bord einer viermotorigen Maschine mitten über dem Atlantik. Die Maschine liegt so ruhig in der Luft, dass ich ungehindert schreiben kann.

Die Kinder spielen unbekümmert und sind sich der Größe des Erlebnisses kaum bewusst.

Mit einigen Amerikanern haben wir schon Kontakt. Natürlich muss man sich an die language — Sprache — und die Umgangsformen zu gewöhnen.

Georg Steinmeyer:

… damals war das noch nicht so toll mit der Elektroakustik in Europa.

1948 habe ich beim Bayerischen Rundfunk am Aufstellen einer fahrbaren Pfeifenorgel mitgewirkt. Und da kam also Harald Bode mit seinem elektronischen Instrument ins Haus: Und dann hab ich den Harald gesehen, flüchtig begrüßt, ein bisschen zugehört, was er gemacht hat, und dann haben wir uns 1955 das nächste Mal in Brattleboro, Vermont wieder getroffen. Die haben ihm ein gutes Angebot gemacht, und er hat natürlich akzeptiert.

Rückblickend sehe ich das so, dass die beiden Mrs. McKay, gesehen hat, wie sich Hammond entwickelt, und sich gedacht hat, das können wir auch machen, oder besser machen, wenn wir den Bode haben.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 24. August 1954:

Es dürfte immerhin einer Notiz wert sein, dass ich heute meinen ersten Wagen gekauft habe.

Georg Steinmeyer:

… und da war er immer ganz stolz, wenn er in seinem Auto saß.

Harald Bode in einem Brief vom 5. Oktober 1958:

Die Tatsache, dass ich mich aus alten Schulden jetzt so ziemlich herausgearbeitet habe, ist dem Umstand zuzuschreiben, dass der Dollar einen guten Kurs hat, dass wir sparsam gelebt haben, ferner der Tatsache, dass ich hier in meinem Angestelltenleben ein Einkommen bezogen habe, dass in anständiger Weise meinen Fähigkeiten angemessen war.

O-TON 35 Georg Steinmeyer (deutsch):

… Harald hat in kurzer Zeit zwei Häuser gebaut.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 10. März 1955:

Der Brief von M. ermutigt mich, die Melochord-Angelegenheit und den wissenschaftlichen Gedankenaustausch von Kontinent zu Kontinent wieder aufleben zu lassen. Die damit verbundene Rehabilitation nehme ich sehr wichtig.

Brief Firma Jörgensen Düsseldorf an Harald Bode:

Im Übrigen glaube ich, dass wir Gesellen hier in Europa ein paar meisterliche Hinweise gut gebrauchen könnten.

Georg Steinmeyer:

Er war ein gesetzter, solider Fachmann, der als solcher behandelt werden wollte.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 11. Januar 1955:

Immer an die großen neuen Ideen denken, die noch nicht verwirklicht sind.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 9. September 1956:

Wenn ich im Keller unseres Hauses wieder arbeiten kann, werde ich wieder das Gefühl haben, dass die Zeit der Goldenen Ernte anbricht.

Georg Steinmeyer:

Was ich vom Harald vielleicht noch sagen sollte: Harald strahlte eine gewisse Würde aus als Mensch.

Hanne Steinmeyer:

Er war immer freundlich, aber immer mit Distance.

Der Harald hat sein Theater gespielt zur Unterhaltung.

Peer Bode:

»Seine ganze Körpersprache veränderte sich. Er ließ das Jackett verrutschen und sein Gesicht verzerrte sich, und er riss Witze und wurde diese absurde Person.

Mach ein komisches Gesicht mit Deinen Lippen, Pappi.«

Harald Bode [lacht]: »Wenn ich schreiben würde, würde ich das auch auf eine leichte, eine humorvolle, eine angenehme Art tun.«

4. Kapitel: Zurück zum Erfinden

Aus dem Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 26. Januar 1958:

In meiner mager bemessenen Freizeit baue ich mir selbst ein Labor auf, das vielleicht eines Tages Zentrum einer eigenen selbstständigen Tätigkeit sein kann.

Aus einem Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 1958:

Feststellung. Ich habe gestern meine Werkbank mit einer Gefälligkeitsreparatur eines Radios eingeweiht, was mir eine gewisse Genugtuung gegeben und Vergnügen bereitet hat.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 18. Juli 1961:

Zu jeder musikalischen Regung ja sagen. Es wird sich zuletzt ein ganzes neues Reich eröffnen — so wie damals im kleinen Maßstab, als ich mich durch das Melochord hervortat.

Zeitschrift »Electronics«, Dezember 1961:

Der Klang Synthesizer schafft neue musikalische Wirkungen

Bereits bekannte Schaltungen werden so kombiniert, das aus normalem Klang ungewöhnliche Klänge gemacht werden können.

Der Autor, Caspar Abocab:

Harald Bodes »Sound Synthesizer« vereinte in einem Gehäuse verschiedene Geräte (Module) zur Klangbearbeitung, sowie eine Tonbandmaschine und eine Einrichtung zur Verhallung. Die einzelnen Geräte konnten frei mit einander kombiniert werden. Dieses Instrument nach dem Prinzip der Module, des Baukastens, ist das allererste bekanntgewordene seiner Art, ein »Elektronisches Studio« im Kleinformat. Es wurde in nur einem Exemplar gebaut.

Robert Moog, 2002:

Die komplette Idee zu einem System nach Baukastenprinzip war in einem Artikel von Harald Bode in Electronics, 1961.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 1964:

Brief an Robert A. Moog schreiben wegen Werdegang zwecks Einführung bei der Audio Engineering Society (AES).

Zitator Harald Bode:

Robert Moogs Besonderheit ist die Entwicklung von Modulen, die direkt von elektrischer Spannung gesteuert werden.

Thom Rhea:

Es könnte sein, das Bob Haralds Entscheidungen beeinflusst hat: Was er entwickeln würde, hing auch stark davon ab, was die Firma Moog verkaufen könnte.

Peer Bode:

Als Bob Moog den Moog Synthesizer entwarf, fragte er Pappi, ob er interessiert sei, seinen Frequency Shifter und seinen Ring Modulator als Teil des Synthesizers einzubringen. Ich erinnere mich, dass ich als Kind dort zu Besuch war. Er hatte eine kleine Fabrik mit vielleicht zehn Leuten, und die bauten diese Instrumente.

Aus dem Film »Moog« von Hans Fjellstäd

Herb Deutsch (voice over): »Wir sprachen zum Beispiel am Anfang, in den frühen Tagen, sollte das Ding eine Klaviatur haben. Sollte es ein Keybord haben, ist das nötig? — Und ich weiß, dass Vladimir Ussachevsky gesagt hatte, dass die Klaviatur vielleicht keine gute Idee ist, weil sie die Leute dazu zwingen könnte, auf die althergebrachte Art zu denken.«

Harald Bode, Zeitschrift »Funkschau«, Juli 1940

Man wird an die vorhandene Musikpraxis anknüpfen, indem man die Instrumente so gestaltet, dass sie sich der gewohnten Spieltechnik anpassen, und neben den neuen auch bekannte Klänge hervorzubringen gestatten.

Aus dem Film »Moog«

Herb Deutsch: »Rückblickend, Bob, es ist vierzig Jahre später, hatte Vladimir recht. Es gibt viel Musik, für die man keinen Synthesizer gebraucht hätte.«

Peer Bode:

[Pappi] mochte Wendy Carlos Music sehr.

Thom Rhea:

Alle hatten den Moog Synthesizer für Avantgardemusik verwendet, und da kommt Wendy Carlos des Wegs, und spielt Werke von Johann Sebastian Bach, sehr melodiöse tonale Musik.

Zitator Harald Bode:

Notiz: Tonfilmaufnahmen 28.3.41. für Friedemann Bach.

Thom Rhea:

Robert Moog wusste das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist. Er stellte eine PR-Frau in New York City an und bezahlte ihr 25 000 Dollar. Und diese PR Frau brachte Sachen wie Switch on Bach in Time Magazine, in Newsweek, große Zeitschriften. Riesige Publizität für den Moog wegen Switch on Bach. So wuchsen die beiden Dinge miteinander.

Aus einem Notizbuch Harald Bodes, 1949:

Ausgaben: 300 Mark an Egon G. Schleinitz für Melochord-Zeitungspropaganda.

Thom Rhea:

Es war eine symbiotische Verbindung zwischen Künstler und Instrumentendesigner, was typisch dafür ist wie diese Art von Elektronischen Instrumenten sich entwickelt haben.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 8. Februar 1965:

Heute ist ein Band von Fekko angekommen. Polka. Es eignet sich nicht und das muss freundlich klargemacht werden.

Brief von Christian Warnke, dem Finanzier und Partner bei der WARBO Formant Orgel 1937 an Harald Bode, im Jahre 1971:

Was ich dir hier schreibe, ist wenig ermutigend, Doch du bist noch jung genug, um neue Wege zu beschreiten. Wenn ich in deiner Stelle wäre, würde ich die elektrische Musik auf den Rand gehen lassen. Ich denke dabei an elektrische Orgeln, die uns doch wirklich Sorgen gemacht haben, und wer spricht heute noch davon?

Harald Bode, Papier zur Versammlung der Vereinigung der Toningenieure AES, 1965:

Mit einem Audio Frequency Shifter [Klangumwandler] kann man die Frequenzen des gesamten hörbaren Spektrums verändern. Neue Klänge werden entstehen.

Caspar Abocab:

Ein Frequency Shifter — ein Klangumwandler — ist ein Instrument ohne Tastatur oder Saiten. Klänge werden von anderen Tonerzeugern in dieses Gerät geleitet und dann durch Drehen der Regler geändert.

Harald Bode, Papier zur Versammlung AES, 1965:

Meine ganz spezielle Danksagung geht an Prof. Vladimir Ussachevsky, durch dessen Iniative diese Entwicklung entstand.

Peer Bode:

Vladimir Ussaschevsky war der Direktor des Elektronisches Musik Studios der Columbia-Princeton Universität. Er bestellte 10 bis 15 von diesen Geräten.

5. Kapitel: Zeit der »Goldenen Ernte«

Peer Bode:

Pappi mochte Kraftwerk.

Karl Bartos, damals Kraftwerk:

Bei dem Album Computerwelt von Kraftwerk wurde ein Bode Frequency Shifter verwendet. Im Stück Numbers ist er gut zu hören. Achten sie auf den Rhythmus Track.

Harald, Interview in der Zeitschrift »Polyphony«, 1981:

Ich bin verliebt in einige Schöpfungen, die vielleicht keine großen Beiträge sind, wie mein Vocoder, obwohl ich glaube, etwas getan zu haben, um ihn von einem Sprachkompressor in etwas musikalisch brauchbareres zu verwandeln.

Bob Moog on Synthesizers, Zeitschrift »Contemporary Keyboards«, 1978:

Vocoder wurden in den Dreißigern entwickelt, um effizient Sprache per Telefon zu übertragen. Heutzutage werden immer mehr Musiker wegen des leichten Zugangs zu einer Fülle von Klangfarben darauf aufmerksam.

Radiosendung »Klangwelt der Elektronischen Musik«, Westdeutscher Rundfunk (Köln), 21 Oktober 1951:

Herbert Eimert: »Das sind nun wirklich musikalische Geisterstimmen, wie wir sie in unserer Musik noch nicht kennen.«

Harald Bode, Interview in der Zeitschrift »Polyphony«, 1981:

Auf der Hitsingle Funky Town von »Lipps, Inc.« wird mein Vocoder sehr gekonnt verwendet.

Harald Bode, Brief an Peer Bode, 1978:

Die ganze Sache mit dem Vocoder ist sehr aufregend, aber manchmal wünsche ich mir, das ich mich als »Komponist« vergnügen könnte.

Thom Rhea:

Wenn Du in seiner Nähe warst, hattest Du dieses überwältigende Gefühl mit jemandem zu sprechen, der Autorität hatte — und eine großartige Intelligenz. Ich habe angefangen, seinen Ruhm zu verbreiten.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, 1976:

Dies ist die Zeit meiner Goldenen Ernte.

Peer Bode:

Mir fiel auf, dass Pappi eine Inspiration für jüngere Musiker und Designer war, die sehr liebevoll davon sprachen, wie wichtig er für das war, was sie taten.

Ich hatte diesen Mann am Telefon. Er war von einer Firma für elektronische Bausätze. Für unter hundert Dollar kann man einen Schwingungserzeuger oder Filter kaufen… als Bausatz. Und er sagte: Harald ist der Grund, warum ich das hier mache. Weil er frühzeitig bewiesen hat, dass du das selbst machen kannst. Dass du keine große Firma sein musst. Und das elektronische Musik etwas ist, das ein Einzelner machen kann. Sowohl den Instrumentenbau, als auch das Spielen.

Aus dem Notizbuch Harald Bodes, Juni 1949:

Geschäftsidee! In Ergänzung zur Artikelserie über den Selbstbau elektrischer Musikinstrumente ein Vertrieb von Bauteilen dafür.

Harald Bode, Interview in der Zeitschrift »Polyphony«, 1981:

Ehrlich gesagt, glaube ich, dass mein Barberpole-Phaser eine neue Ära einleitet — vielleicht, ich weiß es nicht! — aber ich glaube jedenfalls, dass er ein wichtiger Durchbruch auf dem Gebiet der Klangbearbeitung für das Jahr 1981 ist. [Lacht]

Peer Bode:

Er verschwand nach Amerika und war der seltsame, wunderbare deutsche Kumpel, der all diese Sachen baute.

Thom Rhea:

Er war sehr aktiv bis zu seinem letzten Jahr.

Harald Bode:

Jetzt ist es an euch, zu urteilen, was neu ist, was alt ist, was sich ändert durch die Zeiten und was sich nicht ändert durch die Zeiten.

Peer Bode:

Pappi bekam 1986 die Diagnose Krebs… Ich ging ins Krankenhaus und da war Pappi, schlafend, jedenfalls bewusstlos. Ich legte seine Kassette ein, stellte die Lautstärke ein, und drückte Start — und das Band beginnt mit „Das ist die Stimme des Bode Vocoders“, und geht dann über ins Vorführband des Vocoders. Ich schaue zu Pappi. Seine Augen sind offen. Er setzt sich auf. Er legt sich wieder hin. Er macht seltsame Töne. Und dann, als ich die Töne hörte, merkte ich: Er sang mit der Musik mit. Und die Schwestern kamen rein: »Oh, was ist das für wundervolle Musik!«

Und ich sagte: »Das ist seine, Musik, die Harald gemacht hat.«

»Oh! Das ist Musik, die er gemacht hat, wir hatten keine Ahnung, dass er Musik gemacht hat.«

Er hatte ein Lächeln im Gesicht. Am nächsten Morgen hörten wir, dass er gestorben war.

Harald Bode:

Dies war ein kurzer, aber hoffentlich umfassender Blick in die Bode’sche Hexenküche.

Social bottom